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Lippenblütler – Familie mit vielen Heil- und Gewürzkräutern sowie Zierpflanzen

Insekten anlockende Blühpflanzen für Gärten und Beete

Lippenblütler (Lamiaceae) sind weltweit verbreitet, sie fehlen nur in der Arktis. Die Anzahl der Arten wird mit etwa 7.000 angegeben. Sie wachsen als Einjährige, Stauden, Halbsträucher, Sträucher und auch Bäume. Bei uns kommen Einjährige, Stauden und Halbsträucher vor.

Lippenblütler haben einige Merkmale, an denen sie gut zu erkennen sind: Häufig sind es ungeteilte Blätter, die gegenständig angeordnet sind, die Stängel zeigen vier Kanten und sind oftmals hohl, aber insbesondere die Blüten haben eine sehr charakteristische Form. Sie bestehen aus fünf zu einer Röhre verwachsenen Kelchblättern, fünf teilweise verwachsenen Kronblättern, vier Staubblättern und einem oberständigen Fruchtknoten aus zwei Fruchtblättern, die in vier Fächer unterteilt sind und als Klausen bezeichnet werden. Die Früchte bestehen aus vier einsamigen Teilfrüchten.

Lippenblüten und ihre Bestäuber

Die Lamiaceae werden als eine abgeleitete Familie betrachtet. Dies kommt unter anderem in der besonderen Gestaltung der Blüten zum Ausdruck. Sie gliedern sich bei zahlreichen Arten in eine Unterlippe, die aus drei verwachsenen Blütenblättern besteht. Die oftmals helmförmige Oberlippe wird aus zwei verwachsenen Blütenblättern gebildet, zusammen bilden die Blütenblätter im unteren Teil eine verwachsene Kronröhre.

Die Länge der Kronröhre spielt bei der Bestäubung eine wichtige Rolle. Bei kürzeren Kronröhren ist die Anpassung an Bestäuber wenig ausgeprägt, diese Blüten, beispielsweise vom Basilikum, Gattung Ocimum (Abbildung 1) werden von Dipteren (Fliegen und Mücken) bestäubt. Bei längeren Kronröhren fungieren kurz- oder langrüsselige Bienen als Bestäuber, sehr lange Kronröhren werden bei uns von Faltern bestäubt, in den Subtropen und Tropen übernehmen Vögel die Bestäubung.

Durch die Verlängerung der Kronröhre hat sich im Laufe der Evolution eine enge Beziehung zur Familie der Hautflügler (Hymenopteren) entwickelt, deren bekannteste Vertreter Bienen, Wespen und Hummeln sind. In bester Übereinstimmung mit dem Körperbau der Besucher sind beispielsweise die Blüten der Taubnessel-Arten, Gattung Lamium, mit helmartiger Oberlippe, zur Bergung des Nektars an Bienen mit kürzerem oder längerem Rüssel angepasst (Abbildung 2). Auf der Unterlippe befindet sich zudem ein auffälliges Fleckenmuster, das als Saftmal gedeutet wird und Bestäubern den Weg zum Nektar weisen soll.

Die Bestäubung ist ein komplexer Vorgang, so ist beispielsweise für die Bestäubung der Blüte  des Wiesen-Salbeis (Salvia pratensis) ein besonderer Hebelmechanismus ausgebildet (Abbildung 3). Dieser bewirkt, dass beim Blütenbesuch durch eine Hummel auf dem Rücken des Insektes eine Portion Pollen abgesetzt wird – dieser Vorgang kann mit einem Bleistift simuliert und sichtbar gemacht werden. Besucht diese Hummel später eine ältere Blüte, dann streift sie den mitgebrachten Pollen an der inzwischen empfangsbereiten Narbe ab und bestäubt diese Blüte. Zusätzlich zur Bestäubung saugen die Bestäuber den am Blütengrund befindlichen Nektar auf.
 

Nektarräuber

Kurzrüsselige Hummeln, sogenannte Nektarräuber, die den Nektar durch die Kronröhre nicht erreichen können, beißen die Krone oberhalb des Kelches durch und „stehlen“ auf diese Weise den Nektar. Durch diese Löcher bedienen sich dann auch andere Insekten am Nektar.

Lippenblütler mit langer, schmaler Kronröhre

Lippenblütler aus tropischen oder subtropischen Gefilden mit röhrenförmigen Blüten werden in ihrer Heimat von Vögeln bestäubt, bei uns ernten Schmetterlinge mit ihren langen Rüsseln den tief liegenden Nektar. Diese Blüten haben zumeist orangerote oder leuchtend rote Blüten.

Lippenblütler als Heil- und Gewürzpflanzen

Bei unseren Vorfahren waren zahlreiche Lippenblütler-Arten als Heil- und Gewürzpflanzen gut bekannt und wurden reich genutzt. Seit einiger Zeit finden sie wieder mehr Beachtung – sie sind wieder in „Mode“ gekommen – nach dem Motto „alt bekannt und neu entdeckt“. Seither werden sie immer öfter in privaten Gärten oder auf der Fensterbank angebaut.

Lippenblütler-Arten sind als Zierpflanzen schon seit längerem sehr beliebt, beispielsweise der Lavendel, Salbei und Indianernessel.

Lippenblütler werden als Wildpflanzen oft in naturnahen Gärten kultiviert, beispielsweise der Wiesen-Salbei, Thymian und Gamander.

Beispiele von Lippenblütlern, die als Zier- und Schmuckstauden genutzt werden: Zierpflanzen sind von großer Bedeutung für unsere Gärten und Grünanlagen. Hier sind schöne Blüten, die Pollen und Nektar für Insekten bieten, von großer Bedeutung. Vor allem Arten aus wärmeren Klimaten, beispielsweise aus dem Mittelmeergebiet erweisen sich im Zuge der Klimaerwärmung zunehmend in unseren Breiten als gartentauglich.

Als Zier- und Schmuckstauden eignen sich:

  1. Echter Lavendel (Lavandula angustifolia Mill.)
  2. Schopf-Lavendel (Lavandula stoechas L.)
  3. Muskateller-Salbei (Salvia sclarea L.)
  4. Pracht-Salbei (Salvia splendens Sellow ex Roem. et Schult.)
  5. Russel-Brandkraut (Phlomis russeliana (Sims) Benth.)
  6. Großblättriges Löwenohr (Leonotis leonurus (L.) R. Br.)
  7. Scharlach-Indianernessel (Monarda didymia L.)
  8. Späte Indianernessel (Monarda fistulosa L.)
  9. Großblütiger Ziest (Stachys macrantha (K. Koch) Stearn)

Echter Lavendel (Lavandula angustifolia Mill.)


Der Lavendel kommt ursprünglich an den Küsten des Mittelmeergebietes vor, im östlichen Spanien, in angrenzenden Gebieten Frankreichs und Italien. Verwilderte Bestände wachsen insbesondere an trockenen felsigen Hängen in Griechenland und der Toskana. Feldmäßig wird der Lavendel meistens in der Provence angebaut, die Lavendelfelder dort sind ein Anziehungsort für Touristen.

Mit seinen kleinen blauen Lippenblüten, die dicht gedrängt in einem Blütenstand stehen, lockt der Lavendel zahlreiche Insekten an. Die Blüten sind schwach zweilippig, wobei die Oberlippe in zwei, die Unterlippe in drei Kronlappen enden (Abbildung 4); sie zeigen noch nicht die für Taubnessel und Salbei geschilderte typische Lippenblüten-Form. Als Bestäuber sind Hymenopteren zu beobachten, die als Belohnung reichlich Nektar vorfinden.

Aus den Blüten wird das ätherische Lavendel-Blütenöl durch Wasserdampf-Destilation gewonnen. Somit wird der Lavendel als Zierpflanze, aber auch als Nutzpflanze geschätzt. 

Mit seinen fast nadelförmig eingerollten Blättern, die zudem noch weißfilzig behaart sind, erhalten wir einen Hinweis, dass der Lavendel in trockenheißen Sommern an seinen natürlichen/naturnahen Standorten im Mittelmeergebiet gut gedeiht. Das erklärt auch, dass sich der bei uns beliebte Lavendel in unseren Gärten wohlfühlt.

Der Lavendel wächst als Halbstrauch, dabei verholzen die unteren Teile der Jahrestriebe und bilden ein ausdauerndes, reich verzweigtes Spross-System (Abbildung 5). Soll der Lavendel über viele Jahre „in Form“ bleiben, dann bedarf es eines fachgerechten Schnittes, der kurz oberhalb der untersten kleinen neuen Austriebe im Spätsommer erfolgen sollte. Die duftenden Blütenstände können dann gleich in kleine Säckchen gegeben und als Mittel gegen Kleidermotten im Garderobenschrank platziert werden. Ein zweiter Schnitt im Frühjahr ist ebenfalls als Formschnitt sehr zu empfehlen.

Schopf-Lavendel (Lavandula stoechas L.)

Der Schopf-Lavendel, auch Italienischer Lavendel genannt, kommt auf den Kanarischen Inseln, Madeira, Südeuropa, von Marokko bis Zypern und der Türkei vor, dort wächst die Art auf trockenen Böden.

In ihrem Habitus ähnelt er stark dem Echten Lavendel, allerdings wird der Blütenstand von violetten bis purpurnen Hochblättern gekrönt, was den Zierwert dieser Lavendelart steigert (Abbildung 6). Das natürliche Verbreitungsgebiet signalisiert ihre Ansprüche an mildere Winter, die bei uns bisher nicht gegeben sind, somit gilt er als nicht winterhart, so dass sich der Schopf-Lavendel für die Kultur in unseren Gärten nur sehr bedingt – bei gutem Winterschutz – eignet.

Der Schopf-Lavendel wird nicht feldmäßig angebaut und die ätherischen Öle werden nicht genutzt. 

Muskateller Salbei (Salvia sclarea L.)

Der Muskateller-Salbei wächst im Mittelmeerraum, sein Verbreitungsgebiet reicht bis Zentralasien. Er bevorzugt trockene Standorte, beispielsweise Felshänge und Wegränder. Als zweijährige Art bildet er im ersten Jahr eine Blattrosette aus großen Laubblättern. Erst im zweiten Jahr entwickeln sich große, reich verzweigte, sehr dekorative  Blütenstände (Abbildung 7). Die typischen Lippenblüten sind rosa, hellblau oder weiß gefärbt; sie stehen in den Achseln großer Tragblätter, die ebenfalls rosa bis hellblau gefärbt sind (Abbildung 8). Nach der Bestäubung der Blüten durch die Große Holzbiene (Xylocopa violacea) entwickeln sich in jeder Blüte vier kleine Nussfrüchte, die für eine Ausbreitung dieser sehr dekorativen Salbeiart im Garten sorgen. Auch wenn sich die Art in der Regel selbst ausbreitet, sollten zur Sicherheit Samen geerntet werden, damit diese ausgesät werden können, falls die eigene Ausbreitung nicht geklappt hat.

Der Muskateller-Salbei, mit Heimat im Mittelmeergebiet, entwickelt sich bei uns, dank seiner Herkunft in den heißen trockenen Sommern der letzten Jahre sehr gut.
 

Pracht-Salbei (Salvia splendens Sellow ex Roem. et Schult.)

Der Pracht-Salbei, auch Feuer-Salbei genannt, stammt aus Südamerika und kann dort als Halbstrauch wachsen und eine Höhe von bis zu einem Meter erreichen. Da er nicht winterhart ist, kann er bei uns nur als eine einjährige Zierpflanze kultiviert werden (Abbildung 9). Kelch und Krone sind durch Anthocyane leuchtend rot gefärbt. Die Blüte unterscheidet sich in ihrem Aufbau deutlich von den Lippenblüten anderer Salbei-Arten, die eine helmartige Oberlippe haben.

Beim Pracht-Salbei ist die Blütenkrone als lange, schmale Röhre ausgebildet, die Kronzipfel der Ober- und Unterlippe sind klein (Abbildung 10). Mit dieser Blütenform und -farbe lockt der Pracht-Salbei in der Heimat Kolibris als Bestäuber an, die mit ihren langen Schnäbeln tief in die Blütenröhre eindringen, Nektar „schlürfen“ und für die Bestäubung sorgen, bei uns übernehmen Schmetterlinge mit ihren langen Rüsseln die Bestäubung, allerdings konnten in den letzten Jahren nur wenige Samen
geerntet werden. 

Russel-Brandkraut (Phlomis russeliana (Sims) Benth.)

Diese Brandkraut-Art wächst in Nord-Anatolien in Nadel- und Laubwäldern, aber auch auf Kahlschlägen und in Haselnuss-Gebüschen. Es ist in Höhen von 300 bis 1.700 Meter zu finden und bevorzugt sonnige Standorte auf durchlässigen, mäßig nährstoffhaltigen Böden.

Das Brandkraut wächst als Staude und bildet am Boden kurze Ausläufer mit stark behaarten, rosettenartig angeordneten großen, filzig behaarten Blättern. Aus den Ausläufern wachsen bis zu 1,5 Meter hohe Blühtriebe heran, die in Scheinquirlen zahlreiche, eng beieinander stehende gelbe Blüten tragen. Die Blüten haben eine charakteristische helmartige Oberlippe (Abbildung 11). Die hohen Blühtriebe bleiben auch noch lange, nachdem die schönen gelben Lippenblüten abgeblüht sind, erhalten; sie sind auch in diesem Zustand noch eine Zierde für Gartenanlagen und können sogar den Winter über stehenbleiben
(Abbildung 12).

Diese Art verträgt längere Trockenphasen, breitet sich durch ihre kurzen oberirdischen Ausläufer etwas aus und etabliert sich dauerhaft im Garten. Sie sollte aufgrund der zunehmend heißen Sommer öfter gepflanzt werden, zumal sie von Bienen als Bestäuber sehr geschätzt wird.

Großblättriges Löwenohr (Leonotis leonurus (L.) R. Br.)

Das Großblättrige Löwenohr ist ein weiterer Vertreter der Lippenblütler, der mit Blüten, die in dicht gedrängten Scheinquirlen stehen (Abbildung 13). Das Löwenohr stammt aber aus der Kapregion und ist deshalb bei uns nicht winterhart, kann aber als dekorative Kübelpflanze, die bis zum Winter fleißig blüht, im Wintergarten kultiviert werden. Die leuchtenden orangefarbenen Röhrenblüten werden in seiner Heimat von Vögeln besucht, bei uns übernehmen Falter
die Bestäubung.

Scharlach-Indianernessel (Monarda didymia L.) und Späte Indianernessel (M. fistulosa L.)

Die Indianernesseln blühen von Juni bis September mit kopfigen Blütenständen. Die einzelnen Blüten sind fünfzählig, die schmale Oberlippe besteht aus zwei verwachsenen Blütenblättern, die Unterlippe aus drei verwachsenen Kronblättern. Diese sind oftmals etwas behaart, sehr schlank und bis zu 40 Millimeter lang (Abbildungen 14 und 15). Als Bestäuber fungieren Bienen, sicher auch Schmetterlinge mit ihren langen Rüsseln.

Die Scharlach-Indianernessel, eine feuchtigkeitsliebende Art und die mehr an Trockenheit angepasste Späte Indianernessel stammen beide aus Nordamerika. Bei den in unseren Gärten kultivierten Pflanzen handelt es sich vor allem um Sorten (Abbildung 16), es gibt sogar solche mit sehr elegant wirkenden weißen Blüten (Abbildung 17).

Die Indianernessel ist seit einigen Jahren aufgrund ihrer Wuchs- und Blühfreude eine große Bereicherung in unseren Gärten. Von den Stauden-Gärtnern wurde sie 2023 zur Staude des Jahres gekürt, was die Eignung in unseren zunehmend heißen, trockenen Sommern für unsere Gärten deutlich unterstreicht. Mit ihren unterirdischen Ausläufern breiten sie sich je nach Sorte und Bodengegebenheiten aus und wachsen in wenigen Jahren zu üppigen Horsten heran, die einfach geteilt und auf diese Weise vermehrt werden können.

Großblütiger Ziest (Stachys macrantha (K. Koch) Stearn)

Der großblütige Ziest kommt in Anatolien und im Kaukasus vor und wächst dort an sonnigen Standorten. Er wächst als Staude und bildet aus einem Rhizom alljährlich in großer Zahl aufrechte Blühtriebe mit besonders großen Lippenblüten, die in größerer Zahl in dichten Quirlen zusammenstehen (Abbildung 18). Sie haben längere Kronröhren (Abbildung 19) und werden von Hummeln, Bienen und auch Faltern umschwärmt und bestäubt. In unseren Gärten ist der Großblütige Ziest an sonnigen Standorten sehr wüchsig und kann deshalb als Zierstaude empfohlen werden.
 

Fazit

Lippenblütler sind durch ihre charakteristische Blütenkrone mit Ober- und Unterlippe, der Stellung der Staubblätter und einem speziellen Hebelmechanismus bei einigen Arten bestens an ihre bestäubenden Insekten angepasst. Man darf in diesem Falle von einer langen speziellen gemeinsamen Entwicklung – einer sogenannten Co-Evolution – sprechen.

Rotblühende Arten, wie der Pracht-Salbei und das Großblättrige Löwenohr mit langen Röhrenblüten werden in ihrer Heimat von Vögeln bestäubt, bei uns sind es insbesondere Falter mit ihren langen Rüsseln.

Mit Lippenblütlern als Zier- und Schmuckstauden locken wir zahlreiche Insekten in unsere Gärten und Beete auf dem Golfplatz. Die Insekten finden hier Pollen und Nektar, was ihnen in der freien Landschaft ohne Wildkräuter in den Feldern, blühende Wiesen und Randstreifen mit blühenden Wildkräutern zunehmend
fehlt.

Untersuchungen haben seit einigen Jahren ergeben, dass sowohl die Anzahl der Arten, als auch die Anzahl der Insekten abnimmt. Deshalb sollten wo immer möglich – auch auf Golfplätzen – Blühpflanzen kultiviert werden! Wenn sich diese Tendenz nicht ändert, dann müssen wir die Blüten unserer Obstbäume in Zukunft per Hand mit Pinseln bestäuben – ein Horrorszenario und eigentlich kaum vorstellbar!

Autorin:  Dr. Isolde Hagemann | Greenkeepers Journal 1/2024

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