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Integrierter Pflanzenschutz: Mission possible

Im Gespräch mit IPS-Pflanzenschutzexpertin Beate Licht

Nein, das soll noch kein Fazit zum Platzpflegejahr 2024 werden, schon allein, weil die Wetterkapriolen, den Vorhersagen zufolge, auch weiterhin anhalten werden. In den ersten Monaten beeinflussten starke Niederschläge die geplanten Pflegemaßnahmen. Kollegen aus dem Greenkeeping sprachen gar davon, dass die Plätze kaum mit ihren Maschinen zu befahren waren, und es in Folge auch immer wieder zu Platzsperrungen kam. Zudem häufen sich in diesem Jahr die Meldungen zum Dollarfleck, dies, bedingt durch die hohe Luftfeuchtigkeit, zu einem sehr frühen Zeitpunkt.
 

In dem Zusammenhang fällt vermutlich manch einem Teilnehmer der Jahrestagung 2023 des Greenkeeper Verbandes Deutschland (GVD) ein Vortrag ein, der des GVD-„Urgesteins“ und Gründungsmitglieds Adolf Hauth, langjähriger Head-Greenkeeper des GC Am Reichswald Nürnberg. In einem launigen Rückblick auf „Greenkeeping – einst und heute“ schilderte er die Anfänge der professionellen Rasenpflege in Deutschland und die Probleme, die auch damals mit Krankheiten auftraten. 1999 gab es die ersten Gesetzesänderungen, die zu Sorgen auf den Golfanlagen führten – schließlich galt es, sich rechtskonform zu verhalten. Adolf Hauth zur Freude der Zuhörer in seinem Vortrag: „Es war nicht einfach damals, aber dann ,ging die Sonne auf‘ – Beate Licht nahm sich im Rahmen des DGV-Arbeitskreises des Themas Pflanzenschutz an.“ Sie unterstützte fortan das Greenkeeping vor Ort, sowie GVD und Deutschen Golf Verband (DGV), die die Dringlichkeit erkannten, sich mit dem komplexen Sachverhalt auseinanderzusetzen. Wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, den wir heute wohl am ehesten mit der „guten alten Zeit“ betiteln würden, denn im Anschluss kam es zu deutlichen Verschärfungen in der Gesetzgebung.

Viel hat sich seitdem getan und wir wollen dies zum Anlass nehmen, mit der IPS-Expertin und Autorin unserer FachMagazine ein Gespräch zu führen:
 

? Frau Licht, vorgenannte Einführung entspricht weitgehend einer neutralen Darstellung der Sachlage?

! (Grinst) Ja, weitgehend, auch ich muss über den Satz von Adolf Hauth schmunzeln. 2008 wurde der heutige DGV-Arbeitskreis Integrierter Pflanzenschutz (IPS) gegründet. Das Thema Rasenkrankheiten hat mich aber schon direkt im Anschluss an mein Studium der Agrarwissenschaften beschäftigt. Im Rahmen meiner Tätigkeit bei EUROGREEN und unter den Eindrücken einer Schulung in den USA habe ich 1998 die erste Krankheitsbroschüre erstellt. Es waren Pionierzeiten, es gab damals noch keine 200 Golfanlagen und kaum deutschsprachige Literatur zu dem Thema. Auf der anderen Seite durften Pflanzenschutzmittel aus der Landwirtschaft und dem Gemüsebau auf dem Sportrasen eingesetzt werden und der IPS war eher ein abstrakter Begriff. Zudem waren die Anforderungen an die Sachkunde lockerer und es gab keine Verpflichtung zur Fortbildung. Die Vorträge bei den DEULEN und dem GVD konzentrierten sich auf die Diagnose – national und international wurde das Thema auch noch nicht politisiert.
 

? Ja stimmt, Ihren ersten Beitrag zum Thema Rasenkrankheiten im Greenkeepers Journal habe ich bereits 1990 gefunden. Seit 1996 sind Sie regelmäßig Autorin für unsere FachMagazine, seit 2018 erstellen Sie für uns die wichtigen Listen der „zugelassenen und genehmigten Pflanzenschutzmittel (PSM)“, die seitdem neben Einbindung auf unserem FachPortal gmgk-online.de auch GVD und DGV für ihre Websites zur Verfügung gestellt werden. Trotzdem wurden Sie in den vergangenen Jahren hin und wieder in die Ecke der Gift- und „Pestizid“-Verfechter geredet bzw. geschrieben. Trifft einen das persönlich?

! Ganz ehrlich, zum einen wird das dann hinter meinem Rücken gesagt und zum anderen bin ich das nicht. IPS beinhaltet den chemischen Pflanzenschutz, aber als „ultima ratio“, wenn mechanische Maßnahmen, Anpassungen von Grasarten und Standortoptimierung etc. nicht mehr fruchten. Der Schwerpunkt liegt in der Vorbeugung: Den Grasbestand vital halten, damit er dann auch weniger anfällig ist, und den Ursachen auf den Grund gehen, um nicht immer nur die Symptome zu bekämpfen. Das war schon immer und ist auch jetzt meine Devise! Wer die von mir 2012 mit erstellten DGV- und DFB-Leitlinien zum Integrierten Pflanzenschutz einmal genau liest, merkt schnell, dass der Ansatz im Greenkeeping im Sinne des IPS ein völlig anderer sein muss, als einfach „zur Spritze“ zu greifen. 
 

? Es gibt mittlerweile ja sogar behördliche Kontrollen auf den Anlagen? Ein Update zu den Ergebnissen von 2022 verfassten Sie in der letzten Ausgabe des golfmanager. 

! Das ist richtig und viele der Golfanlagen haben sich der Problematik auch vorbildlich angenommen. Wir haben von Seiten des DGV-Arbeitskreises bereits frühzeitig gezielte  Hilfestellungen gegeben. Die amtlichen Prüfer haben immer wieder gestaunt, wie gut viele Golfanlagen vorbereitet waren. Leider aber gibt es noch einige „schwarze Schafe“ und hier besteht aus meiner Sicht eine große Gefahr für das ohnehin vielfach geschmähte Image des Golfsports. Man muss dabei aber auch bedenken: Die Kollegen in der Platzpflege sind angehalten, einen möglichst top gepflegten Platz den Mitgliedern und Gästen zur Verfügung zu stellen und der Druck wird diesbezüglich immer höher.
 

? Ein aussichtsloses Unterfangen?

! Das würde ich nicht sagen. Die Beschlüsse der EU stehen ja, trotz der vorerst gescheiteren Gesetzesänderung (SUR), nach wie vor im Raum. Im Gegenteil, auf Länderebene – schauen Sie in den Koalitionsvertrag – wird derzeit weiter an einer drastischen Reduzierung des Einsatzes von chemischen Pflanzenschutzmitteln gearbeitet. 

? Zusammen mit den Kollegen des Sportrasens haben Sie sich in den letzten Jahren auch für den DGV auf EU-Ebene dafür eingesetzt, dass die SUR nicht verabschiedet wird. Warum war dies so wichtig?

! Mich bitte nicht falsch verstehen, es geht nicht darum, das Unvermeidliche zu verschieben, vielmehr muss meines Erachtens den Golfanlagen und den in der Platzpflege Tätigen die Möglichkeit gegeben werden, die Plätze im Zusammenwirken mit Vorstand, Mitgliedern und im besten Fall auch Öffentlichkeit, auf die Zeit danach umzustellen. Zudem enthielt der Entwurf ein Verbot für alle, auch die biologischen Pflanzenschutzmittel sowie die Wachstumsregler. Er hatte die Vielfältigkeit des Sportrasens zudem nicht ausreichend berücksichtigt, denn wir wurden erneut mit sensiblen Gebieten gleichgestellt.
 

? Ein Umstieg von heute auf morgen ist nicht recht denkbar?

! Kaum, denn zum einen brauchen wir Alternativen, die dann auch funktionieren. Hier geht es uns genauso wie den Landwirten oder Obst- und Gemüsebauern. Die Gesetzgebung blockiert aufgrund der langwierigen Zulassungsformalitäten neue, biologische Produkte. Zum anderen: Natur funktioniert in längeren Zeitabständen, eine Umstellung der Pflege und der Bestände braucht Zeit. Wir werden sicherlich zukünftig von den Fortschritten im Hinblick auf die Technik aus den landwirtschaftlichen Bereichen profitieren. Aber, und das ist ein ganz endscheidender Punkt: Es bedarf vor allem auch ein Umdenken bei den Golfern, sie müssen ein Bewusstsein entwickeln und mehr Verständnis dafür aufbringen, dass es auch Zeiten geben kann, in denen sie vorübergehend schlechtere Spielbedingungen in Kauf nehmen müssen.
 

? Also keine Entwarnung. Nun haben Sie nach 15 Jahren den Vorsitz des DGV-Arbeitskreis IPS niedergelegt. Bedeutet das, Sie verlegen Ihre Arbeit wieder mehr in die Selbständigkeit als Golfplatzberaterin?

! Hierauf gibt es ein klares „Jein“. Ich bleibe der Szene nach wie vor im Bereich IPS erhalten. Es ist die Aufgabe der Fachverbände, der Ausbildungsstätten, aber eben auch der freien Berater, die Golfanlagen und damit auch die Praxis auf dem Weg zu einer nachhaltigen Pflege nach den Grundsätzen des IPS zu unterstützen.
 

? Das bedeutet?

! Sie sprachen die letzten Jahre an: Die Arbeit mit den vielen Behörden, Verbänden und Institutionen ist als „Einzelkämpferin“ nicht immer leicht und dabei bleibt Vieles auf der Strecke.
 

Ich möchte mich inhaltlich neu orientieren und mehr in der praktischen Hilfe vor Ort und in der Aus- und Fortbildung, auch Verbände-übergreifend, engagieren. 

? Insofern sind auch Ihre neuen Projekte mit der DEULA Bayern und Rheinland zu werten?

! Ja, mit Henrike Kleyboldt, Hartmut Schneider und Anja Arens haben wir gerade ein neues Produkt unter dem Namen „Rasenhorizonte“ initiiert. Mit diesem soll Golfanlagen mit einem Expertenteam aus verschiedenen
Bereichen bei Problemen auf den Anlagen geholfen werden. Daneben biete ich neu eine „Rasen-Sprechstunde“ über die DEULA Bayern an, mit zeitnaher Online-Hilfe bei ganz konkreten Rasenproblemen. Weitere Infos möchte ich Ihnen hier ersparen, finden Sie aber auf der Website der DEULA Bayern/Greenkeeping (grinst).
 

? Dem Greenkeeping und dem Thema IPS bleiben Sie also auch zukünftig erhalten? Und ich frage nicht in erster Linie, weil ich eine wichtige Stütze unseres Redaktionsteams nicht verlieren möchte ...

! Unbedingt, dafür engagiere ich mich schon mein halbes Leben lang, liebe die Menschen und würde gerne die nächsten Schritte noch mit meinem Wissen und meiner Expertise begleiten!
 

Frau Licht, vielen Dank für das Gespräch, dann freuen auch wir uns darauf, noch viele spannende Themen für den Grünen Bereich zusammen aufzubereiten.
 

Das Gespräch führte Stefan Vogel golfmanager 03/2024

 

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