Wiederbelebung an der Wismarer Bucht
Bades Huk: Idylle statt Elitismus
Die Golfanlage in Hohen Wieschendorf war zehn Jahre von Ungemach und Unkraut überwuchert. Seit 2021 ist sie wieder eine blühende Tourismusdestination.
Es ist eine klassische Dornröschen-Geschichte: Mecklenburg-Vorpommerns erste Golfanlage fällt in den tiefen Schlaf wirtschaftlicher Probleme. Ein paar Unentwegte mähen die Wiese und halten den Spielbetrieb aufrecht, die Kasse des Vertrauens am ersten Abschlag hat Rost angesetzt, im Clubhaus stehen die Salzstreuer auf dem Tisch, wie der letzte Gast ihn verlassen hat. Irgendwann kursiert die Mär, dass der Golfclub Hohen Wieschendorf womöglich wieder zu dem Acker umgepflügt wird, der er einmal war. Rückbau: Im Golfanlagenbusiness so unaussprechlich wie Lord Voldemort bei Harry Potter.
Drumherum sieht es nicht besser aus: Auf den Veranden der im Rohbau aufgegebenen Apartmenthäuser sprießt das Unkraut wie die überkandidelten Träume der einstigen Investoren, statt der Boote im Hafen dümpelt die Marina an der Spitze der Ostsee-Halbinsel nahe Boltenhagen vor sich hin. Eine Insolvenzverwalterin sucht händeringend Käufer für „Saint Tropez an der Ostsee“, wie die Zeitung „Die Welt“ genannt hat, was mal ein Luxusrefugium werden sollte und im Fiasko endete. Das war 2011.
Ein modernes Märchen
Zehn Jahre später ist aus Howido, so die inoffizielle, vielverwendete Kurzform für Hohen Wieschendorf, tatsächlich ein Ferienresort geworden. Allerdings, es heißt nicht mehr so. „Bades Huk – ein innovatives Erholungskonzept an der Wismarer Bucht“, versprechen die Macher. Und sanften Qualitätstourismus. Auch der Anspruch hat sich verändert: Idylle statt Elitismus. Das Credo lautet, „Urlaubern einen Ort zu bieten, an dem einfach jeder Anblick und jeder Ausblick schön ist, an dem man komplett abtauchen und sich von der unverfälschten Natur verwöhnen lassen kann“, sagt Betreiber Hamid M. Farahmand. Als Mitgeschäftsführer des Hamburger Unternehmens Clavis International ist er Spezialist für die Konzipierung und Führung von Resorts und hat Anlagen in aller Welt im Portfolio. Bades Huk wurde für einen österreichischen Investor entwickelt, der die Brache schließlich erworben hat. Weitere Anspielungen auf das Grimm’sche Märchen bieten sich an: von wegen Prinz und so.
„Natürlich klingt der Name Golfclub Hohen Wieschendorf immer noch mit“, weiß Farahmand. „Aber uns ist wichtig, ein nachhaltiges Angebot zu erstellen, das die Leute gut finden und das sie wiederkommen lässt. Dann werden wir auch als Bades Huk die entsprechende Resonanz haben.“ Seit der Eröffnung im Juli 2021 ist man damit gut vorangekommen. Es hat sich herumgesprochen, dass anderthalb Autostunden von Hamburg und zweieinhalb von Berlin auf der Landzunge zwischen Boltenhagener Bucht und Wohlenberger Wiek eine Destination sozusagen wiederauferstanden ist, die nun „Wohnqualität und Natur, Freiraum und Privatsphäre, individuelle Entfaltung und erstklassigen Resort-Service“ (O-Ton Bades-Huk-Werbung) vereint.
Idyllischer Rahmen
In der Tat, die Mischung macht’s. Acht Kilometer Küste mit zahlreichen Sandbuchten, Salzwiesen, Dünen sowie das Flora- und Fauna-Habitat und Vogelschutzgebiet Wismarbucht am südlichsten Teil der Ostsee bilden den Rahmen. Das Bades-Huk-Ensemble fügt sich durchaus geschmeidig in die maritime Landschaft, die sanierten und um Anbauten mit Raum für Dachterrassen erweiterten Wohnhäuser sind schmuck geworden, die 77 Beach Apartments wirken mit der nordisch-nüchternen Designlinie ihres hochwertigen Marken-Interieurs tatsächlich wie das angepriesene „Urlaubs-Zuhause“.
„Ohne dabei auf die typischen Motive einzugehen“, unterstreicht Silva C. Eddicks, Kreativ-Chefin von Clavis International. Will heißen: Deko-Delikte üblicher Unterkünfte am Meer wie die sattsam bekannten Leuchttürme im Regal oder Muschel-Sand-Glasschalen-Stillleben auf dem Couchtisch finden in Bades Huk nicht statt. „Uns ging es darum, kein Interieur von der Stange anzubieten, sondern eine ganz gezielte Komposition zum rundum Wohlfühlen zusammenzustellen“, betont Eddicks.
Und was wird noch geboten?
Draußen lockern regionale Architekturelemente wie Bunen die Außenanlagen auf, ein ausgedehnter Kinderspielplatz versteht sich von selbst, gleichermaßen ein Ruhebereich mit Liegen und Blick in die Dünenlandschaft. Fitness und Wellness gehören ebenfalls zum Angebot. Gesteuert wird das alles von der Rezeption auf dem Gelände des großzügigen Parkplatzes an der Zufahrt. Dort lassen sich auch mannigfaltige Aktivitäten arrangieren: Fahrräder und E-Bikes, Stand-up-Paddling, Yoga-Kurse am Strand, Surf-Unterricht bei der benachbarten Surfschule, Segeln, Kiten. Zudem bietet ein Shop Produkte des täglichen Bedarfs und die morgendlichen frischen Brötchen, viele der dort angebotenen Lebensmittel stammen von regionalen Erzeugern.
Wer es ganz kontemplativ mag, taucht während der Saison in den Erdbeerfeldern des Glantz-Imperiums ab, zum Selberpflücken und Vorort-Naschen. Dort ist im Lauf des Jahres 2022 übrigens eine exquisite Reitanlage mit State-of-the-Art-Ausstattung für die Pferdezucht und Springpferde-Ausbildung entstanden; Hausherr Enno Glantz feierte die Eröffnung im Mai 2023 mit einer Pferdewoche und einem arriviert besetzten Springturnier.
Auf der Pier von Bades Huk wird’s lebhafter, allein schon durch die dort angesiedelte Gastronomie mit Café, italienischem Restaurant und der Beach Bude für Getränke, Snacks und mehr. Die Marina hat 100 Liegeplätze, das Hotel im Hafengebäude bietet zwölf Zimmer. Und dann ist da noch der Golfplatz.
Zurück zum Golf ...
Achim Reinmuth von Städler & Reinmuth Golfdesign in Münster hat das Dornröschen Howido quasi im Wortsinn aus der Umklammerung der wuchernden Vegetation befreit, den Lauf der 18 Löcher neu sortiert, den mittlerweile beeindruckenden Baumbestand dennoch integriert und mit intelligenten Eingriffen ins Layout auf 74 Hektar sanft onduliertem Gelände einen Parklandparcours geschaffen, der einstellige Handicapper keineswegs anödet und weniger schlagfertige Golfer nicht abschreckt. Gefällig in der Optik und geschmeidig im Ablauf, bei einer Länge von 5.838 Metern für Herren sowie 4.934 Metern für Damen und breit ausgemähten Fairways für jeden abwechslungsreich spielbar, ein Resortkurs im besten Sinne.
Vor allem schuf der Architekt, zu dessen Meisterstücken beispielsweise die 27 Löcher des Ostsee Golf Resort Wittenbeck nahe Kühlungsborn zählt, mit der im Oktober 2021 begonnenen Überarbeitung endlich ein Alleinstellungsmerkmal, das zuvor allenfalls als Reklameslogan auf dem Papier gestanden hatte. Und das ist bekanntermaßen geduldig. Durch erhöhte Grüns, vor allem auf den Bahnen 4 und 15, ermöglicht Reinmuth den Golfern endlich Sichtachsen auf die Ostsee, bei gutem Wetter bis zur Insel Poel. Dieses Werbeversprechen hatte der Platz originär lediglich eingelöst, wenn sogar 1,85-Meter-Menschen am Rand des damaligen 18. Grüns Luftsprünge absolvierten. Links hinter einem Grün existiert zudem ein direkter Strandzugang, muss aber erstmal gefunden werden. Spielverzögerung ist folglich programmiert.
Großen Wert legt Golf-Projektmanager Thorsten Wolfram zudem auf ein attraktives Angebot für Kinder und Jugendliche, das kontinuierlich erweitert wird. Die Golfakademie ist eine Dependance der Ostsee-Golfschule von Max Pingel. Der PGA-Professional hat sein Hauptquartier in Wittenbeck; er und seine Kollegen sind aufgrund der Erfahrungen mit Unterrichts- und Platzreifeangeboten für Saisongäste und Familien geradezu prädestiniert.
Nur ein Clubhaus fehlt noch, das bisherige hat ein neuer Eigentümer erworben und umgebaut. Aber wie formuliert es Geschäftsführer Farahmand: „Unser Ziel ist es nicht, hier mit Hurra rein- und irgendwann mit Hurra wieder rauszugehen. Wir begleiten das Projekt mit Clavis International langfristig und haben uns ein organisches Wachstum vorgenommen. Auch im Golfbereich.“ Gut Ding will halt Weile haben. Dornröschen hat schließlich auch 100 Jahren geschlafen.
Huk ist der norddeutsche Begriff für eine Landzunge, ein Kap, einen Haken. Die Familie Bade war bis 1912 Besitzer des Erbguts Hohen Wieschendorf. Als in den 1910er-Jahren die Nachricht kam, dass Kaiser Wilhelm II. hier urlauben wolle, haben die Bades enormes Geld in den Ausbau der Infrastruktur investiert. Aber dann kam der Monarch doch nicht. Und die Familie Bade war dermaßen klamm, dass sie ihren gesamten Grundbesitz an die Familie Glantz verkaufen musste. Der Name Bades Huk wurde also gewählt, um die Ursprungsfamilie zu würdigen. Insbesondere Wilhelm Bade, ein Pionier der Seefahrt, stand Pate für die neue Urlaubsdestination: 1843 in Hohen Wieschendorf geboren, veranstaltete Bade später die ersten touristischen Kreuzfahrten
in die Arktis.
Autor: Michael F. Basche | golfmanager 3/2024