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Übern Old Course daddeln, in Augusta zocken

Gamification: Tradition und Innovation für Golfentwicklung

Stichwort Gamification: Mit den St. Andrews Links und dem Augusta National Golf Club haben sich zwei Bastionen des Golf-Konservatismus der digitalen Zukunft zugewandt.

 

St. Andrews. The Home of Golf. Place to be. Wenigstens einmal. Und natürlich den Old Course spielen. Aber was tun, wenn es mit dem Startplatz in der Kathedrale des Golfsports nicht geklappt hat? Direkt auf einen Pint ins Jigger Inn am 17. Fairway? Alternativvorschlag: den Old Course einfach virtuell absolvieren, von der Range-Matte aus, mit Blick auf die „Skyline“ von St. Andrews und die Häuserzeile an der berühmten Straße The Links. Klingt paradox, geht aber.

 

Bei Interesse lesen Sie ergänzend den Beitrag „Range­systeme auf dem Vormarsch“ unseres ­Autors Michael Althoff im golfmanager 4/21 – nachzulesen HIER.

Toptracer und EA Sports

Seit November 2022 ist die St. Andrews Links Golf Academy eine Toptracer Range, hat Abschlagboxen mit den kameragestützten Systemen des Weltmarktführers in Sachen Range-Technologie ausgerüstet. Der Ball fliegt immer noch hinaus in die Wiese, aber auf dem Monitor rauscht er über den Swilcan Burn und landet nur einen Pitch entfernt vom 18. Grün vor dem ikonischen Clubhaus des Royal and Ancient Golf Club of St. Andrews. Das Stichwort lautet „Gamification“, es ist die zeitgemäße Ergänzung eines zeitlosen Spiels, das manchmal auch aus der Zeit gefallen scheint.

 

Szenenwechsel, die Masters-Woche 2023. Im Augusta National Golf Club ereignet sich Ungeheuerliches: Übermütig karriolen Menschen über das Geläuf in Georgia, bejubeln Schläge, fistbumpen gelochte Bälle. Der Golfprofessional Tony Finau gehört zur ausgelassenen Zockermeute, ebenso Football-Quarterback Josh Allen (Buffalo Bills) oder Iona Stephen von Sky Golf. Was sich liest wie ein Sakrileg, ist die Premiere von „EA Sports PGA Tour: Road to the Masters“; das Videospiel-Unternehmen Electronic Arts hat den Masters-Platz als Computerkurs aufbereitet und macht ihn so für alle Welt „zugänglich“.

Zauberwort der Golfentwicklung

Wenn sich selbst zwei Bastionen des Golf-Konservatismus wie St. Andrews und Augusta der elektronischen Entwicklung öffnen, hat die Gamification des Golfsports endgültig den Ritterschlag erhalten. Deren Siegeszug ist ohnehin landauf, landab auf Driving-Ranges und in Indoor-Golfanlagen zu beobachten. Trainingstools wie Toptracer und der Mitbewerber TrackMan haben sich zu Entertainment-Elementen gemausert, die dank Grafik, Platzerfassung und Schnittstellen längst mehr können als Analysedaten in Sachen Schwung und Schlag zu liefern. Sie bringen Spaß in die gelegentliche Tristesse einer Übungswiese, machen aus einer öden Abschlagbox das erste Tee des Old Course, oder vermitteln die Aussicht aufs Grün der berühmten Par-3-Sieben von Pebble Beach.

 

Die virtuelle Variante gilt allenthalben als Zauberwort der Golfentwicklung. Nicht nur die Kids lassen sich mit dem Game-Changer hinterm digitalen Ofen hervorlocken – Daddeln mit dem Driver sozusagen. Gamification ist ein probates Mittel, der zumeist eher golffernen modernen Freizeitgesellschaft das Spiel näherzubringen, die gern von Erlebnisblüte zu Erlebnisblüte flattert: hier ein bisschen Spaß, dort ein bisschen Thrill, Hauptsache Amüsement. Auf den weltweit wuchernden Anlagen von Topgolf sind geschätzt sechs bis zehn Prozent der Besucher überhaupt Golfer. Die Mehrheit kommt just for fun. So, wie man früher zum Bowling ging.

 

Virtuelle Open Championship ­geplant

Freilich, auch die Gilde selbst erliegt der Golffaszination in Bits und Bytes. Die Erfahrungen der St. Andrews Links Golf Academy spiegeln, was Clubs und Anlagenbetreiber allerorten registrieren. Die Nutzung der Range habe sich mit der neuen Technologie gravierend verändert, berichtet Danny Campbell, kaufmännischer Leiter der St. Andrews Links: „Die Golfer verweilen länger in den Abschlagsbuchten, und Spieler, die noch nicht so lange dabei sind, beschäftigen sich intensiv mit der Technik.“ Kurz: Es werden mehr Bälle gezogen, das oftmalige Stiefkind Driving-Range avanciert zur Zugnummer – und zum Bindeglied zwischen dem jahrhundertealten Sport und der digitalen Zukunft.

 

Demnächst soll es sogar eine virtuelle Open Championship geben. Die User können dann einen der Rota-Kurse spielen. Royal Liverpool beispielsweise, wo vom 20. bis 24. Juli 2023 die 151. Ausgabe des weltältesten Major steigt. „Wir haben die Verantwortung, die Traditionen des Spiels aufrechtzuerhalten“, sagt Danny Campbell, „und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass wir innovativ sind und niemals stillstehen.“

 

Autor:  Michael F. Basche | golfmanager 3/2023

 

 

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