One of the great architects in Golf: Mike Strantz
Wiederentdeckung eines Golfplatz-Designgenies
Der 1955 geborene, aus Toledo (Ohio) stammende Michael J. Strantz – besser gekannt als Mike Strantz – schuf insgesamt zwar nur sieben Golfplatz-Neudesigns und zwei Golfplatz-Renovierungen, dennoch hat er der Golfplatzarchitektur seinen Stempel nachhaltig aufgedrückt. Bereits mit 14 Jahren trat er seinen ersten Job im Golfbusiness im Team des Chippewa Golf Clubs in Curtice, Ohio, an. 1978 erwarb er an der Michigan State University einen Abschluss in Turf Grass Management. Vorher studierte er an der Universität von Miami Kunst. 1979 traf er im Inverness Club in Ohio im Rahmen der Vorbereitungen zu den US Open auf Tom Fazio – der Beginn seiner Karriere als Golfplatz-Designer. Bis 1987 arbeitete Strantz im Team von Fazio, zahlreiche Projekte in den USA folgten. Doch 1987 wurde deutlich, dass Strantz nicht immer den geraden Weg in seiner Karriere bevorzugte: Er verließ das Team von Fazio und gründete in Charleston, South Carolina, die Mike Strantz Studios, ein Atelier für Grafikdesign. Damit kehrte er wieder zu seiner zweiten Leidenschaft zurück, die mit dem Kunststudium in Miami seinen Golfplatz-Designaktivitäten vorangegangen war. Doch die Zerstörungen durch Hurrikan Hugo 1989 entlang der Küste von South und North Carolina – gemeinsam in den USA gerne als „The Carolinas“ bezeichnet – sorgte dafür, dass Strantz wieder ins Golfbusiness zurückkehrte. Zahlreiche Projekte mit verschiedenen Golfplatzarchitekten rund um North und South Carolina folgten: Wild Dunes, Legends Parkland, Dunes West und Heritage. 1994 schließlich der nächste Meilenstein in Strantz‘ Karriere: Er gründete sein eigenes Golfplatz-Designunternehmen, Maverick Golf Design. Der Caledonia Golf & Fish Club in Pawleys Island, South Carolina, wurde sein erstes Solo-Projekt. Bis 2001 (Bulls Bay, Awendaw, South Carolina) designte er insgesamt sieben neue Golfplätze. 2002 renovierte er Silver Creek Valley, 2004 zudem den Shore Course von Monterey Peninsula. Trotz der im Vergleich zu anderen Golfplatz-Architekten eher geringen Anzahl an Projekten wurde er bereits 1998 von Golf World zum „Architect of the Year“ gekürt, ein Jahr später kürte ihn das Magazin zum „Number One Golf Architect Highest in Demand“. 2000 zählte ihn Golf Digest bereits zu den „Top 10 Greatest Golf Architects of All Time“ – da hatte Strantz gerade einmal sechs Plätze designt. Doch am 10. Juni 2005, viel zu früh im Alter von gerade einmal 55 Jahren, erlag Strantz einem Zungenkrebs-Leiden.
Der etwas andere Architekt
Spricht man mit Weggefährten von Strantz aus seiner Schaffenszeit, wird schnell deutlich: Dieser Mann hat seine Projekte anders betreut als viele Architekten-Kollegen. Nicht umsonst wählte er für sein Unternehmen die Bezeichnung „Maverick“, was man sowohl mit „Einzelgänger“ als auch „Außenseiter“ übersetzen kann. In der Tat war die Herangehensweise bei seinen Projekten anders, er widmete sich einem Projekt stets mit seiner ganzen Energie. Während viele seiner Kollegen oft mehrere Projekte gleichzeitig betreuten, zog es Strantz im wahrsten Sinne des Wortes stets ganz zu einem Projekt – für die Dauer der Arbeiten wohnte er meist vor Ort, weshalb man auch heute noch auf vielen Anlagen ‚Strantz‘ Wohnhaus aus der Designphase vorfindet. Auch seine Art, Pläne zu zeichnen, wich von den Standards ab: Mit seiner künstlerischen Gabe verzichtete er auf klassische Architektenpläne, vor allem von den Grüns, sondern erstellte Skizzen, wie ein Grünkomplex aussehen solle, und bat sein Team, diese so umzusetzen. Wer heute, beispielsweise im Clubhaus von Tot Hill Farm, diese Skizzen bewundert, kommt leicht auf den Gedanken, dass es sich um Zeichnungen handelt, die nach dem Bau erstellt wurden und nicht umgekehrt. Viele seiner Zeichnungen können heute als Drucke erworben werden, online kann man auch seine einzigartigen Fähigkeiten bewundern, seine Designs vorab als Kunstwerk zu präsentieren (s. Link: https://bit.ly/3Uv23OQ). Ein weiterer Unterschied: Strantz kam es stets darauf an, die Landschaft mit seinen Design-Visionen zu verbinden. Dabei scheute er auch vor umfassenden Shaping-Maßnahmen nicht zurück – bei Bulls Bay im an sich flachen Küstengebiet South Carolinas soll er mehr als 2 Millionen Tonnen Boden bewegt haben, ist zu hören. Während der Bauphasen blieb der Designer meist vor Ort und arbeitete eng mit seinem Shaping-Team zusammen. Auch hier gab es oft Ungewöhnliches: So hat er Tot Hill Farm vollständig vom Rücken eines Pferdes aus konzipiert und umgesetzt – ganz im Stile eines Maverick.
Die planerischen Besonderheiten
Da Strantz sein Wirken auf die USA beschränkte und zudem im Vergleich zu anderen Designkollegen nur wenige Plätze schuf, geriet er – vor allem international – ein wenig in Vergessenheit. Dass Strantz dennoch weltweit bekannt blieb, ist vor allem einem Platz zu verdanken: Tobacco Road. Die heute vom US-Giganten Troon gemanagte Anlage steht symbolhaft für Strantz‘ Designphilosophie: große Bunkerlandschaften, ondulierte Fairways und Grüns und oft weitläufige Waste Areas. Wer zum ersten Mal einen seiner Plätze spielt, fühlt sich oft eingeschüchtert, denn die Wahl der richtigen Linie für das Spiel zur Fahne ist nicht immer einfach. Wer sich jedoch von den beeindruckenden Landschaftsbildern des Designers nicht beeindrucken lässt, erkennt schnell, dass viele der auf den ersten Blick einschüchternden Elemente den Golfern sogar helfen. So sorgen Hügel entlang der Fairways oft dafür, dass ein dort landender Ball wieder Richtung Bahnmitte rollt und damit eine gute Ausgangsposition für den nächsten Schlag bietet. Zudem gibt es – wenn beispielsweise der direkte Weg zur Fahne über eine der berüchtigten Strantzchen Bunker-Mondlandschaften führt – auch einen sicheren Weg drumherum, ohne das Par zu gefährden. Man muss daher nicht immer auf Risk and Reward-Linie gehen. Viele Golfer bestätigen, dass man einen Platz von Strantz bei der zweiten Runde meist deutlich besser spiele – bei der ersten Runde ist man oft schlicht von den Golfplatz-Landschaften „geflasht“. Beeindruckend sind vor allem Strantz‘ Par 3s. Sie gleichen vielfach kleinen Kunstwerken, bringen oft Wasser und Bachläufe ins Spiel, aber auch Felslandschaften. Sein Design bei Tot Hill Farm gilt nicht umsonst als eine der besten Par 3-Kombinationen weltweit.
Nach Strantz‘ viel zu frühem Tod gerieten einige seiner Plätze ein wenig in Vergessenheit, zwei wurden sogar geschlossen. Ein Umstand, der nicht zuletzt auf den Rückgang des Golfbusiness in den USA Mitte der 2010er Jahre und die Tatsache, dass fast alle Strantz-Designs mindestens semi-privaten Status hatten und daher auch auf Greenfee-Spieler angewiesen waren. Doch in den letzten Jahren rücken Strantz und die von ihm designten Anlagen wieder in das Interesse der Golf-Community. Nach teils mehr als zweijährigem Dornröschenschlaf wurden Royal New Kent und Stonehouse in Virginia wieder zum Leben erweckt, auch Tot Hill Farm wurde – obwohl nie geschlossen – teils nahezu wieder ausgegraben und dank eines neuen Besitzers umfangreich restauriert und so wieder an das ursprüngliche Design von Mike Strantz angepasst. Heute erstrahlt der Platz in neuem Licht und ist ein weiteres Beispiel für kunstvolle Golfplatzdesigns. Wer den Platz in seinem heutigen Zustand gespielt hat, bezeichnet ihn gerne einmal als „Tobacco Road auf Steroiden“, denn zwar sind die Bunkerlandschaften nicht ganz so üppig wie bei Tobacco Road, dafür ist das Gelände deutlich ondulierter und das Wechselspiel zwischen ondulierten Spielbahnen, teils deutlich erhöhten Grüns, anspruchsvollen Bunkern, Wasser und Felsen noch ausgeprägter. Alle sieben Neudesigns von Strantz befinden sich an der Ostküste, einzig der Bulls Bay Golf Club ist ein klassischer Privatclub und daher Mitgliedern sowie deren Gästen vorbehalten.
Fazit
Golfplätze aus der Feder von Mike Strantz stehen beispielhaft für Anlagen, die alleine schon durch ihr Design und ihre Optik für ein nachhaltiges Erlebnis sorgen. Wer einmal Tobacco Road, Tot Hill Farm oder Royal New Kent gespielt hat, wird sich daran noch lange erinnern. Oft erinnern die Designs an Wirklichkeit gewordene Kunstwerke – und die Vorgehensweise von Strantz, Bahnen als Kunstwerk zu zeichnen und dann durch sein Team an Shapern umzusetzen, dürfte daran großen Anteil haben. Wer weiß, welche Meisterwerke die Golfbranche noch erwartet hätte, wenn der US-Amerikaner nicht Teil des berühmt-berüchtigten „Only the good ones die young“-Clubs geworden wäre. Die Renaissance seiner Plätze und die international steigende Wahrnehmung und Wertschätzung seiner Meisterwerke zeigen, dass sein Design zumindest zeitlos, wenn nicht gar seiner Zeit voraus war.
Mike Strantz Retrospektive
Nachfolgend ein kurzer Überblick über die sieben Originaldesigns von Mike Strantz in der Reihenfolge ihres Entstehens.
Caledonia Golf & Fish Club
Schon sein erstes Design 1994 sorgte für Aufsehen und hält sich kontinuierlich in der Liste der „Top 100 you can play“-Anlagen. Im Vergleich zu seinen späteren Designs fallen die Bunker noch etwas kleiner aus, die Bahnen sind nicht ganz so stark onduliert – aber alleine schon die unterschiedlichen Herausforderungen, die sich an vielen Bahnen je nach gewählter Teebox ergeben, sind außergewöhnlich. Der in Pawleys Island (SC) gelegene Platz grenzt an alte Reisfelder, was vor allem an der beeindruckenden Schlussbahn Richtung Südstaaten-Clubhaus gut sichtbar ist. Wer alle Plätze von Strantz spielt, wird bei Caledonia viele Design-Ansätze finden, die Strantz bei späteren Projekten weiter perfektioniert hat.
Stonehouse
Der erste von Strantz‘ beiden Plätzen in Virginia ist ein wunderbarer Parkland Course, der die hügelige Landschaft des Bundesstaats perfekt aufgreift. Nach mehr als zweijähriger Schließung wurde der Platz 2019 wiedereröffnet. An einigen Bahnen erkennt man auch heute noch, dass der Platz während seiner Schließung nahezu komplett überwuchert wurde, er braucht noch ein wenig Zeit, um seinen alten Glanz wieder voll zu entfalten. Eine Besonderheit: an kaum einer Spielbahn sieht man eine weitere Spielbahn – so herrscht auf Stonehouse stets eine besondere Ruhe, man kann sich ganz auf die aktuelle Bahn konzentrieren.
Royal New Kent
Nur ein Jahr nach Stonehouse, 1997, öffnete diese Anlage ihre Tore. Auch hier wurde die Hügellandschaft Virginias wunderbar in das Design integriert, allerdings mit einem vollständig anderen Charakter. „Golf Ireland in Virginia“ nennt sich die Anlage selbst, und in der Tat hat man auf der Runde das Gefühl, einen Heathland Course auf der grünen Insel zu spielen. Wie das nur rund 20 Autominuten entfernte Stonehouse lag auch Royal New Kent rund zwei Jahre brach, bevor es 2019 wiedereröffnet wurde und nun zu den Top 100 Public Golf Courses der USA zählt.
True Blue
Obwohl in direkter Nachbarschaft zum Caledonia Golf & Fish Club gelegen, wurde True Blue nicht nur vier Jahre später (1998) eröffnet, sondern präsentiert sich mit einem deutlich anderen Charakter. Wie der Name bereits andeutet, nimmt Wasser als Designelement mehr Einfluss, denn sowohl die Front als auch die Back Nine sind um große Teiche herum angelegt. Zudem sind die Bunker und Waste Areas ausgeprägter. Das Design erinnert damit an die Stile des Sandhills mit Pine Valley und Pinehurst. Nicht zuletzt dieses Design trug Strantz die Auszeichnung zum Architect of the Year von Golf World ein.
Tobacco Road
Der 1999 eröffnete Platz nahe Sanford, nur rund eine halbe Autostunde vom US-Golfmekka Pinehurst entfernt, dürfte aktuell wohl der bekannteste Platz aus der Feder von Strantz sein. Man sagt ihm nach, dass er kein Platz, sondern ein Erlebnis sei. In der Tat: wer den Platz zum ersten Mal spielt, ist vielfach überwältigt von den Landschaften, die Strantz hier geschaffen hat. Wasser, Bunker, Waste Areas, alle Designelemente werden hier nahezu in Perfektion eingesetzt, kombiniert mit zahlreichen Höhenunterschieden. Auch die Par 3s bleiben dauerhaft in Erinnerung – viele mit quer liegenden, mächtigen Grüns, die de facto zwei völlig unterschiedliche Par 3-Optionen in einer Spielbahn kombinieren.
Tot Hill Farm
2000 eröffnete dieser, rund eine Autostunde westlich von Pinehurst gelegene Platz seine Tore. Er wurde seinerzeit zum siebtschwersten Platz der USA gewählt. Doch im Laufe der Zeit ließ die Pflege nach, Mutter Natur holte sich manche Spielbahn fast komplett wieder zurück. Das änderte sich erst 2023, als ein neuer Besitzer ein umfangreiches Restaurierungsprojekt initiierte, das aus dieser Anlage eine Hommage an Mike Strantz machte. Daher kann man im Clubhaus nicht nur einige der Skizzen aus der Designphase, sondern auch manche Andenken an Strantz bewundern. Mittlerweile ist die Anlage in ausgezeichnetem Zustand und dürfte sicherlich wieder zu den schwersten, aber auch erlebnisreichsten Plätzen der USA zählen. Unglaublich die Designvielfalt und Schönheit der Par 3s – fast unmöglich, hier ein Signature Hole zu bestimmen, es sind eher 18.
Bulls Bay
Strantz‘ letztes Design war zugleich sein einziges für einen Privatclub. Das dürften viele Golfer bedauern, denn der mit viel Erdhub gestaltete Platz nahe Charleston, South Carolina, ist ein Highlight. Die Anlage zieht sich rund um das auf einem Hügel gelegene, von 14 Spielbahnen aus einsehbare Clubhaus. Im Design wirkt es wie eine Mischung aus Tobacco Road und Tot Hill Farms, eine Runde hier ist ein Golf-Leckerbissen. Dazu trägt auch bei, dass der Platz an einigen Bahnen an das Marshland der Bulls Bay heranragt und dies samt Palmen ebenso grandios in das Design integriert wurde. Die Eigentümerfamilie und das Management halten Strantz‘ Erbe in Ehren und stehen bis heute in engem Kontakt zur Strantz-Familie.
Autor: Michael Althoff | golfmanager 5/2024