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Golfplatzdesign als ­Wachstumsmotor

Im Gespräch mit dem Top-Golfplatzarchitekt Agustín Pizá

Als der international anerkannte und preisgekrönte Mexikaner Agustín Pizá die 5. Klasse besuchte, hatte er bereits eine klare Vorstellung von seiner Zukunft: „Ich will Architekt werden!“ Aber es war nicht einfach der typische Kindheitstraum, zu bauen: Pizás Ehrgeiz wurde von Kreativität, Neugier – und Kunst geleitet. Nach der Schule studierte er Architektur und wurde Hochbau-Architekt. Parallel dazu hat der Sport immer eine wichtige Rolle in seinem Leben gespielt – was er sehr zu schätzen weiß. Da sein Vater Sportlehrer war, verbrachte er viele Stunden mit Schwimmen, Tennisspielen, American Football und anderen Aktivitäten. Zu dieser Zeit kreuzten sich Golf und Pizás Leben zum ersten Mal im Tijuana Country Club. „Golf lehrt dich das Leben“, so seine Erkenntnis bis heute. Nach Abschluss der Schule war es an der Zeit, die Leidenschaft zum Beruf zu machen: Pizá wurde Architekt, er konzentrierte sich auf Gebäude, aber damals noch nicht auf Stadien oder multifunktionale Entwürfe.

 

Es dauerte bis zum Abschluss dieser zweiten Phase seiner Ausbildung, bis sich seine Wege und Golf erneut kreuzten. Im Alter von 26 Jahren arbeitete der junge Mexikaner mit dem 18-fachen Major-Sieger Jack Nicklaus zusammen. Von nun an wurde das Golfplatzdesign zu seiner wahren Leidenschaft. Er entschied sich, ebenfalls Golfplatzdesign zu studieren und erwarb einen Master-Abschluss an der berühmten Universität von Edinburgh. Seinem Credo folgend, immer von den Besten zu lernen, studierte er Golfplatzdesign buchstäblich von der Pike auf und überwachte dabei auch alle vor Ort zu erledigenden Aufgaben.

Daraus resultierten zahlreiche Kooperationen mit weltberühmten Architekten wie Ken Moodie, Robert von Hagge und Tom Fazio. Seit 2006 führt er seine eigene, in Mexiko ansässige Firma – eine der wenigen, die sich nicht nur auf Golfplatzdesign spezialisiert haben, sondern auch städtebauliche Masterplanung und Baumanagementberatung in ihr Portfolio aufgenommen haben. Bis heute haben Pizá und seine Kollegen erfolgreich an mehr als 70 Projekten auf drei Kontinenten mitgewirkt, darunter viele preisgekrönte Entwürfe. Der Gründer und CEO selbst wurde vom Forbes Magazine als einer der 100 kreativsten Mexikaner weltweit ausgezeichnet und ist ein international anerkannter Redner und Autor. In einem Interview mit dem golfmanager gab er einen Einblick in seine Philosophie und seine Motivation und Leidenschaft, das Spiel durch innovative Designs zu fördern.

 

? Wie können neue Golfplatzdesign-Konzepte dazu beitragen, dem Spiel mehr Wachstum zu bescheren?

 

! Wir haben keine genaue Berechnung, aber unsere Erfahrung zeigt, dass alternatives und neues Golfplatzdesign neue Kundenkreise für das Spiel anzieht. Seit Jahren reden alle über „Growing the game“, also weiteres Wachstum im Golfsport, aber neben mehr Werbung gibt es wenig innovative Ansätze, um erfolgreich zu sein. Ich finde, wir sollten uns wie Start-ups verhalten: ausprobieren, bewerten, weitermachen oder aufhören. Wir sollten mit neuen Ansätzen ein gewisses Risiko eingehen – nicht alle werden erfolgreich sein, aber wir haben nachgewiesenermaßen erlebt, dass unsere Entwürfe neue Zielgruppen für das Spiel erschlossen haben.

 

? Multi-Purpose-Golf ist ein wichtiges Konzept, das Sie geschaffen haben. Wie unterscheidet sich dieses vom traditionellen Golfplatzdesign?

 

! Lassen Sie mich zunächst klarstellen, dass mein Team und ich auch erfolgreich klassische 18-Löcher-Golfplätze entwerfen. Unser Mehrzweck-Golfkonzept geht in mehrere Richtungen. Erstens gibt es den Besitzern mehr Flexibilität, um mit einem variablen Design verschiedene Zielgruppen auf demselben Gelände anzusprechen. Zweitens sollten wir, wie alle Branchen, einen disruptiven Ansatz beim Design verfolgen. Ich möchte auch Nicht-Golfer ansprechen – ein klassischer Golfplatz zieht selten einen neuen Golfer an; er spricht bestehende Golfer an. Deshalb haben wir beispielsweise mit unserem Rasen­skulpturen-Design begonnen: Auch wenn man nicht Golf spielt, fühlt man sich auf dem Gelände willkommen und wohl. Kinder können zum Beispiel einen Bunker zu bestimmten Tageszeiten als Spielplatz nutzen, während Erwachsene das Golfgarten-Design lieben. Architektur lässt sich kaum von Kunst trennen und wir wollen unsere Kunst nutzen, um das Spiel zu fördern. Zum ersten Mal in unserer Golfgeschichte bedeutet dies, dass die Funktion der Form folgt und nicht umgekehrt.

? Wie unterscheiden sich Ihre Mehrzweck-Golfdesigns vom traditionellen Design?

 

! Es gibt viele Komponenten, es ist nicht nur der visuelle Teil des Layouts. Das Spieltempo ist ein wichtiger Faktor, alle Aktivitäten auf unseren Mehrzweck-Golfdesigns benötigen maximal 90 Minuten Dauer. Dies ermöglicht auch kleinen Unternehmen und Investoren, Teil des Golf­angebots zu werden. Sie profitieren auch von den geringeren Wartungskosten dieser Designs. Und schließlich ist die Nachhaltigkeit mit dem richtigen Einsatz von Ressourcen ein wichtiger Faktor unserer innovativen Konzepte.

 

? Viele Ihrer Projekte sind Teil von Resorts und Siedlungen. Sind auch diese Anlagen an mehr Wachstum beim Golf interessiert?

 

! Oh ja! Unsere Erfahrung sagt uns, dass etwa 60-80% aller Hausbesitzer in Wohngemeinschaften mit einem Golfplatz in Lateinamerika nicht Golf spielen! Es gibt also viel Platz, Golf auch dort zu fördern.

 

? Was war Ihre Motivation, Mehrzweck-Golfplätze zu entwerfen?

 

! Ich habe in der Schule viele Mehrzweck-Sportplätze gesehen: Man konnte Basketball, Handball oder Volleyball auf demselben Boden spielen. Und in meiner Jugend war ich fasziniert von Brettspielen, bei denen man das Brett drehen und so von Schach auf Halma oder andere Spiele wechseln konnte. Mein Bestreben ist es, alternative Erfahrungen zu schaffen, die auf alternativen Nutzungen basieren.

 

? Lässt sich Mehrzweck-Golf nur innerhalb neuer Projekte realisieren?

 

! Wir haben es sowohl bei neuen Projekten, als auch bei bestehenden Plätzen im Re-Design umgesetzt. Es muss pro Standort entschieden werden, aber generell sind beide Varianten möglich.

 

? Müssen Multi-Purpose-Golf-Designs mit einem traditionellen Golfplatz kombiniert werden oder können sie auch stand-alone eingesetzt werden?

 

! Auch hier gilt: Beides ist möglich. Sie können Teil eines gemeinsamen Projekts mit einem traditionellen 18-Löcher-Platz sein, sie funktionieren jedoch auch als Stand-alone-Anlage. Ein Vorteil als Stand-Alone-Lösung ist, dass sie weniger Platz, weniger Wartung und weniger Investitionen benötigen als klassische Plätze.

 

? Wie reagieren die bestehenden Golfer auf Ihre innovativen Ansätze und das Mehrzweck-Golf?

 

! Nun, der passionierte Golfer braucht oft eine Weile, um die Philosophie zu verstehen. Sie müssen verstehen, dass dies nicht das traditionelle Spiel vom Abschlag zur Fahne ist. Aber sobald sie die Herausforderungen der verschiedenen Zwecke verstehen, verlieben sie sich in diese neue Möglichkeit und nehmen die Variabilität und das Tempo des Spiels an. Die Anlagen laden Golfer quasi ein, das Golf, das sie kennen, zu verlernen.

 

? Apropos Spieltempo: Kennzeichnen Sie die Abschlagplätze auf Ihren traditionellen Golfplätzen nach Farbe oder Geschlecht?

 

! Nein, alle unsere Abschlagboxen basieren auf Platzlängen – das Spieltempo hängt stark von der Schlagweite des Golfers ab, aber auch der Spaßfaktor ist mit der Länge eines Lochs verknüpft. Wenn Sie schon am Abschlag wissen, dass Sie das Grün nicht mit 2, 3 oder 4 Schlägen erreichen können, sinkt Ihr Spaßfaktor deutlich. Mit Abschlagboxen nach Platzlänge können Golfer viel besser ihre passende Box auswählen.

 

? Während Golf in Amerika oft Teil von Communities und Immobilienprojekten ist, sind diese Ansätze in Kontinentaleuropa eher selten. Welchen Einfluss hat das auf den Golfsport und das Design von Golfplätzen?

 

! Immobilien tragen dazu bei, ein Gefühl von Eigentum zu schaffen – nicht nur für einzelne Häuser, sondern für das gesamte Resort oder die Gemeinschaft. Generell sind unsere Konzepte oft an Immobilien gekoppelt. Aber wenn man Mehrzweck-Golf mit Immobilien kombiniert, haben wir, wie bereits erwähnt, sofort Zugang zu einer bedeutenden Gruppe von Nicht-Golfern. Und wenn man eine Gemeinschaft hat, in der die Bewohner ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt haben, trägt das auch zum Wachstum des Golfsports bei.

 

? Wie unterscheidet sich Mehrzweck-Golf von traditionellen Plätzen in Bezug auf Pflege und Management?

 

! Unser grundsätzlicher Ansatz bei allen Projekten ist die Nachhaltigkeit. So sind die Unterhaltskosten nicht höher als bei traditionellen Golfplätzen. Aber unsere Konzepte unterstützen die Nachhaltigkeit zusätzlich durch den geringeren Verbrauch von Ressourcen zur Realisierung und zum Betrieb der Anlage. Im Management erfordern unsere Designs eine andere Art von Manager. Veranstaltungsorte, welche die volle Bandbreite der Möglichkeiten unserer Designs nutzen wollen, benötigen eine Mischung aus Golf- und Unterhaltungs-Concierge. Oder wie wir es beschreiben: Wir müssen am Veranstaltungsort Magie entfachen, um Kunden anzuziehen.

 

? Bisher waren Sie vor allem in Mexiko und Lateinamerika aktiv. Gibt es Pläne für eine Expansion?

 

! Mexiko ist mein Heimatland und ich bin stolz darauf, dass wir uns dort einen so guten Ruf erarbeitet haben und gut etabliert sind. Außerdem freue ich mich, die Eröffnung unseres Büros in San Diego bekannt geben zu können. Wir werden die USA künftig stärker in unseren Fokus rücken. Mein Netzwerk innerhalb der europäischen Golfplatzdesigner-Szene ist ebenfalls sehr breit gefächert, wir denken darüber nach, ein Büro zu eröffnen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen sein wird.

 

? Apropos Mexiko: Die meisten Plätze werden ohne die Unterstützung von internationalen Golfmanagementfirmen betrieben, was ein großer Unterschied beispielsweise zur Karibik ist. Gibt es dafür eine Erklärung?

 

! Der Golfsport in Mexiko hat sich in den letzten 40 Jahren stark entwickelt. Die meisten Plätze wurden in der Zeit des Tourismusbooms in den 1980er-/1990er-Jahren gebaut. Zu dieser Zeit wurden fast alle Managementpositionen mit erfahrenen Managern aus dem Ausland besetzt. Im Laufe der Jahre begann unser Land, seine eigenen Golfmanager auszubilden. Jetzt sind sie gut ausgebildet und immer mehr Mexikaner haben das Management übernommen, was uns ein Stück weit unabhängiger macht.

? Wie würden Sie die zukünftige Rolle von Golfplatzarchitekten beschreiben?

 

! Architektur ist kein Handwerk, sie ist Kunst. Und Kunst wird immer ein wichtiger Teil unserer Arbeit und der kulturellen Entwicklung von Gesellschaften sein. Das hat sich seit Jahrhunderten nicht geändert. Aber wir sehen einen starken Einfluss der modernen Technologie. Neue Software-Tools wie BIM (Building Information Modeling) für die traditionelle vertikale Architektur haben begonnen, einige wichtige Teile des Prozesses zu übernehmen. Ich bin davon überzeugt, dass der eher technische Teil des Golfplatzdesigns in Zukunft von intelligenten Software-Tools übernommen wird, die auf KI ( Anm. d. Red.: künstlicher Intelligenz) basieren. Dies sollte innerhalb der nächsten 20 Jahre geschehen. Was KI aber nicht ersetzen kann, ist das Herz und die Seele des Architekten. Die individuelle Handschrift eines Designers wird noch wichtiger werden, unsere Arbeit wird eine Verschiebung von der Konstruktionsarbeit hin zu einer viel stärkeren Betonung von Design und Kunst erfahren.

 

? Es gibt eine andauernde Diskussion über die Länge von Golfplätzen in Bezug auf die Schlagweite von Amateur- als auch von Profigolfern. Wie ist Ihre Meinung aus der Sicht eines Golfplatzdesigners?

 

! Zunächst einmal ist am Ende der Score entscheidend, nicht die Länge vom Abschlag zum Grün. Aber in der Tat hatte und hat sie einen Einfluss auf das Design. Am Anfang haben die Architekten die Bahnen verlängert, weil sie dachten, dass dadurch mehr Platz für Immobilien in den Communities entstehe. Aber wenn die Länge zunimmt, muss man auch die Breite anpassen. Wenn Sie einen Driver oder ein 3er Holz schlagen, ist die Abweichung größer als bei einem Wedge. Wenn also die Schläge generell länger werden, schränkt dies den verfügbaren Platz für Immobilien ein und erfordert mehr Platz pro 18 Löcher – sowohl die Investitionen als auch die Unterhaltskosten werden also steigen. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob auch das Erlebnis größer sein wird, so dass die Golfer bereit wären, mehr für diese Art von Plätzen zu bezahlen. Diese Entwicklung ist ein Grund, warum wir uns entschieden haben, unsere Mehrzweck-Golfdesigns mit einer geringeren Grundfläche auf den Markt zu bringen.

 

? Mit Ihrer Firma Pizá Golf sind Sie eine der wenigen Firmen, die sich nicht nur auf Golfplatzdesigner konzentrieren, sondern auch auf Stadtentwicklung und klassische Architektur im Hochbau-Bereich. Sehen Sie darin einen Vorteil bei Golfprojekten?

 

! In der Tat: Wenn man getrennte Verantwortlichkeiten innerhalb eines Projekts hat, führt das oft zu Reibungen und Ineffizienzen. Dennoch ist es hilfreich, Spezialisten für verschiedene Arten von Konstruktion und Entwicklung zu haben. Unser Ansatz bei Pizá Golf ist daher, ein Team von Spezialisten bereitzustellen, welches das gesamte Projekt managen kann. Für all unsere Projekte ist das „Warum“ entscheidend: Warum bauen wir das Resort, warum brauchen wir einen 18-Löcher-Platz, warum sollte eine Person den neuen Ort besuchen? Ein allumfassendes Designkonzept sorgt für eine bessere Gesamtharmonie. Es hilft, das gesamte Projekt und nicht unterschiedliche Philosophien verschiedener Entwickler in den Mittelpunkt zu stellen.

 

? Was ist Ihre Meinung dazu, dass ehemalige Tour-Profis zu Golfplatzdesignern werden?

 

! Tour-Pros haben eine Menge Erfahrung. Sie haben einige der besten Plätze der Welt erlebt und haben – zumindest in Verbindung mit ihrem Spiel – gemerkt, was einen Platz angenehm oder herausfordernd macht. Aber das allein macht sie noch nicht zu guten Platzdesignern. Meiner Erfahrung nach hängt ihr Erfolg von ihren Partnern beim Design ab. Viele ehemalige Tour-Profis haben sich mit einigen der besten Golfplatzdesigner und -gestalter zusammengetan. Gemeinsam können sie hervorragende Ergebnisse erzielen. Eine Voraussetzung: Alle Partner müssen nicht nur ihre Fähigkeiten, sondern vor allem auch ihre Grenzen kennen. Wenn das Team also richtig aufgestellt ist, können sie ein außerordentlich starkes Team sein und große Erfolge erzielen.

? Wie unterscheidet sich das moderne Golfdesign von dem zu Old Tom Morris-Zeiten?

 

! Zu Old Toms Zeit war die Design-Philosophie komplett anders. Er positionierte 18 Pins und ging dann zurück, um geeignete Abschlagboxen für ein Par 3, Par 4 oder Par 5 zu finden. Aber hauptsächlich hat er das Land so belassen, wie es war. Das moderne Golfplatzdesign, das nach der industriellen Revolution begann, basiert auf der Formgebung. Heutzutage können wir Dünen schaffen, wo immer wir wollen, oder ein hügeliges Gebiet abflachen. Unsere Möglichkeiten sind viel breiter, wir sind bis zu einem gewissen Grad unabhängig von den gegebenen Böden und ihrer Form.

 

? Eine letzte Frage: Welche Ihrer Golfplatzentwürfe halten Sie für Ihre erfolgreichsten?

 

! Das ist eine schwierige Frage! (lacht) Glücklicherweise waren bisher alle erfolgreich und – da sie für mich alle Babys sind – ich liebe sie alle. Aber wenn ich mich auf drei beschränken muss, dann entscheide ich mich für den Parotas Golf Club in Huatulco, unsere Wellness-Golfanlage im Chablé Resort und The Pit im Herzen von Mexiko-Stadt.

 

Herr Pizá, vielen Dank für den tiefen Einblick in Ihren herausragenden und innovativen Ansatz. Alles Gute für die kommenden Projekte!

 

Autor: Michael Althoff | golfmanager 2/2021

 

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