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Im Gespräch mit Dietrich von Garn

Ein Referee ist der ADAC, nicht die Polizei

Dietrich von Garn gilt als der Regelexperte im deutschen Golfsport. Seit knapp 25 Jahren ist er beim Deutschen Golf Verband (DGV) für die Regularien zuständig. Bevor er sich in die Rente verabschiedet, spricht er mit golf.de und golfmanager ausführlich über seine Karriere als Spielleiter.
 

2001 hatte der DGV eine Stelle ausgeschrieben und jemanden gesucht, der sich hauptamtlich mit Regeln befasst. Dietrich von Garn wusste auf Anhieb: Diese Position ist wie gemacht für ihn. Die entsprechende Erfahrung brachte er ohnehin mit. Als DGV-Spielleiter, Course Rater und ehemaliges Vorstandsmitglied des Golf Club Bonn Godesberg las sich der Lebenslauf des gebürtigen Neumünsterers schon damals vielversprechend. Von Garn passte perfekt ins Anforderungsprofil und setzte seine Reise zum ultimativen Regel-Experten in Deutschland fort. Seit 23 Jahren ist der inzwischen 65-Jährige für die Regeln und Regularien beim DGV verantwortlich. Ab November verabschiedet er sich in die wohlverdiente Rente. Wobei endgültig verabschieden will sich von Garn noch nicht.
 

Für ein „Auf Wiedersehen“ ist es noch zu früh. Dafür liebt er seinen Job einfach zu sehr. Von Garns Liebe zum Golf entfachte im Alter von 18 Jahren, als er anfing, seine ersten Bälle zu schlagen. Seine Faszination für das Regelwerk entdeckte er recht früh auf seinen Runden mit und gegen seine Freunde. Schon bald landete er in seinem Heimatclub im Spielausschuss. Es folgten ein Sitz im Vorstand und dann irgendwann im Landessportausschuss. Dort wurde von Garn Spielleiter und empfahl sich für den DGV, wo er nun auf 23 unvergessliche Jahre zurückblickt.
 

Im Interview schaut von Garn auf viele Momente seiner Laufbahn zurück, verrät, was einen guten Referee ausmacht und richtet den Blick nach vorne.
 

? Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?

! Das Faszinierende an der Sache ist, dass die Funktionsweise der Regeln eigentlich recht simpel ist. Man wundert sich dann aber, wie viele Menschen sich hinstellen können und sagen „Ich weiß nicht, wie das geht“. Auf der Clubhausterrasse fangen vier Leute an zu diskutieren, wie die Regel richtig angewandt wird und keiner von denen hat ein Regelbuch dabei. Das ist verblüffend, denn es wäre so einfach: Das Regelbuch liegt im Clubhaus, es gibt Regel-Apps und mit ein, zwei Griffen hat man in 90 Prozent der Fälle eine Regelfrage einwandfrei beantwortet. Da muss man nichts interpretieren, sondern es steht wortwörtlich drin. Es ist auch spannend, was den Leuten auf der Runde alles passiert. Neben den einfachen Regelfällen gibt es auch völlig abstruse Sachen.
 

Was fällt Ihnen da auf Anhieb ein?

! Ich hatte einen völlig verrückten Regelfall, den ich nur deswegen einwandfrei lösen konnte, weil die Regel damals relativ neu war. Ich war bei einem Turnier der European Tour in England. Als ich zum Ort des Geschehens kam, stand dort nur ein Marshal mit einem Golfcart. Der Spieler kam wenig später dazu und es stellte sich heraus, dass der Marshal auf dem Cartweg gefahren ist und nur gesehen hat, wie ein Ball auf dem Weg aufsprang. Dann gab es einen lauten Knall, der Ball flog unter das Cart und war weg. Der Spieler fragte sich, was er machen kann, und wollte am Cart wackeln, damit der Ball herauskommt. Mit seinem Caddie hätte er fast das Cart umgeworfen, aber der Ball kam nicht heraus. Die Regel war damals im Jahr 2004 ganz frisch eingeführt worden, dass es auch einen Freedrop für Bälle gibt, die in beweglichen Hemmnissen verloren gehen. Dann habe ich dem Spieler erst einen Freedrop auf dem Weg gegeben, um den Ball wieder „ins Spiel“ zu bringen und von dort aus droppte er ins Semi-Rough und traf anschließend das Grün. Das der erste Fall eines in einem beweglichen Hemmnis verlorenen Balles auf der European Tour. Der Marshal kam eine halbe Stunde später zu mir und informierte mich, dass der Ball im Gestänge der Lenkung festsaß.
 

? Großartig. Haben Sie noch einen weiteren kuriosen Regelfall auf Lager?

! Bei einer Deutschen Meisterschaft lag eine Spielerin eineinhalb Meter neben einem Busch und hatte diesen Busch im Rückschwung. In den Ästen befand sich ein Spinnennetz mit einer großen Spinne. Sie rief mich heran und fragte mich, ob sie das wegmachen dürfe. Das war kein Problem, da ein Spinnennetz nach den Regeln nicht als befestigt gilt. Die nächste Frage war: „Darf das auch meine Mami wegmachen?“ Und ja, auch die Mutter durfte es wegmachen. Mit den Worten „Kind, stell‘ dich nicht so an“, tat sie das dann auch. Das war für die Zuschauer rundum ziemlich erheiternd.
 

? Wie wird man Referee?

! Das war früher noch etwas anders. Wir haben damals im Freundeskreis regelmäßig um Kaffee oder Bier gespielt. Das wollte man nicht verlieren und dazu muss man die Regeln kennen. Was darf ich mit meinem Ball machen und was darf mein Mitspieler nicht machen? Auf die Weise haben wir uns alle eine ganz ordentliche Regelkenntnis erworben. Das hat sich dann irgendwann mal herumgesprochen und bei einem Verbandsturnier auf unserem Platz wurde ich gefragt, ob ich denn nicht mal Referee machen wollte. Dann bin ich mit dem Regelbuch dort hingefahren und habe ein Abzeichen vom Verband angesteckt bekommen. Mit Startliste und Golfcart bin ich auf den Platz gefahren. So wurde ich damals Referee, aber das ist natürlich über 30 Jahre her. Das ist inzwischen alles sehr strukturiert und organisiert mit entsprechenden Prüfungen.
 

? Was werden Sie am meisten vermissen?

! Eigentlich gar nicht so viel, weil ich nicht vollständig aufhöre. Ich werde für den DGV weiter im Regelbereich und Course Rating mitwirken. Es ist also noch kein kompletter Abschied. Daher fällt es mir nicht so schwer und die Freude, nicht mehr an feste Arbeitszeiten gebunden zu sein, überwiegt.

Steckbrief
Heimatclub: VcG
Alter: 66, ab 1. Oktober
Geburtsort: Neumünster, Schleswig-Holstein
Aktueller Wohnort: Renchen, Baden-Württemberg
Familienstand: Verheiratet
Niedrigste Runde: 72 (PAR)
Größte Stärke beim Golf: Es stört mich nicht, wenn es regnet.

? Sie haben unzählige Golferinnen und Golfer kennengelernt. Ist Ihnen irgendeine Persönlichkeit besonders in Erinnerung geblieben?

! Als Referee hält man sich etwas zurück. Man ist letztlich nur zur Hilfestellung da und erzählt auch keine großen Geschichten. Insofern ist es für einen Referee egal, ob man einem unbekannten Spieler oder Rory McIlroy einen Drop gibt. Nach der Runde haben sie dann auch ihr Programm und so hat man weniger Kontakt zu den Spielern. Was mir natürlich schon im Laufe der Zeit aufgefallen ist, dass ich einen Marcel Siem oder Martin Kaymer von ihren Jugendturnieren an bis auf die Tour begleitet habe. Da freut man sich dann schon, dass sie sich so weit entwickeln konnten. 
 

? Was macht einen guten Referee, abgesehen von der Regelkenntnis, aus?

! Er fährt mit der Absicht auf den Platz, den Spielern zu helfen, wenn es ein Problem gibt. Er ist sozusagen der ADAC oder der Anwalt der Spieler und nicht die Polizei. Daher ist er auch unsichtbar, bis man ihn braucht. Der Fall wird möglichst schnell erledigt, ohne das Turnier aufzuhalten. Die Regelfälle, bei denen ein Spieler postwendend weiterspielen kann und gar nicht feststellt, wer der Referee war, sind für alle Seiten das Positivste.
 

? Wurde es jemals beim Umgang mit Spielern persönlich, vielleicht sogar beleidigend?

! Beleidigend, nein. Es gibt Spieler, die sind aufgeregt und vergreifen sich im Ton. Wenn man sie aber darauf hinweist, dass wir einen Sachverhalt ermitteln und nicht diskutieren, sind die auch alle von der Palme gekommen und entschuldigen sich nach der Runde.
 

? Haben Sie eine Lieblingsregel?

! Eigentlich nicht, denn alle Regeln sind für unterschiedliche Fälle gemacht. Die freundlichste Regel ist die Regel 16 „Ungewöhnliche Platzverhältnisse“, weil sie einem einen Freedrop ermöglicht. Sie ist also spielerfreundlich und als Referee freut man sich auch, wenn man dem Spieler mitteilen darf, dass er von dieser Stelle nicht schlagen muss. In der Praxis ist diese Regel also bestimmt für alle Referees die Lieblingsregel. 
 

? Wenn Sie eine Regel ändern, anpassen oder entfernen dürften, welche wäre das?

! Das ist keine bestimmte Regel. Aber ich habe eine kleine Liste mit Ungereimtheiten, die zur Korrektur des nächsten Regelbuchs an den R&A geschickt wird. Dazu kann ich aber leider nichts sagen. Es gibt immer ein paar kleine Ecken. Die Erstellung eines solchen Regelbuchs ist extrem komplex. An sich sind aber die Regeln, so wie sie sind, für alle denkbaren Fälle geeignet.
 

? Wie steht es um den deutschen Nachwuchs im Team der Referees?

! Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Der DGV hat natürlich eine Fluktuation im Bereich der Referees, weil wir eine Altersgrenze haben und Referees teilweise aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten. Deswegen fragen wir in regelmäßigen Abständen bei den Landesgolfverbänden nach, ob sie Interessenten für eine Fortbildung zum DGV-Referee hätten, um dann in DGV-Turnieren eingesetzt zu werden. Wer dann noch die Prüfung beim R&A besteht, qualifiziert sich auch für internationale Einsätze.
 

? Ab November bleibt mehr Zeit für Freizeit und Hobbies. Worauf freuen Sie sich am meisten?

! Wir haben uns vor einigen Wochen einen zweiten Hund zugelegt. Der ist gerade dabei, gewaltig zu wachsen und zu lernen. Um den werde ich mich kümmern und ihn auslasten. Fährtenlesen bietet sich an, denn er hat eine enorm gute Nase.
 

? Ist das Leo oder Fussel?

! Das ist Fussel. Leo ist ein gemütlicher Hund, der froh ist, wenn er irgendwo in der Ecke dösen kann.
 

? Ganz verabschieden aus dem Golf-Engagement für den DGV wollen Sie sich dann aber doch nicht. Auch auf Golf.de werden Sie immer wieder zu lesen sein. Worauf dürfen sich
Leserinnen und Leser hier freuen?

! Die Regelfälle der Tour, die ich regelmäßig kommentiere, will ich auf jeden Fall fortsetzen. Was an weiteren Beiträgen noch hinzukommt, bleibt abzuwarten. Aber ich werde mich definitiv auch weiterhin in schriftlicher Form mit dem Regelwerk auseinandersetzen.
 

Herr von Garn, schönen Dank für dieses informative Gespräch.
 

Das Gespräch führte Daniel Dillenburg für den DGV/Golf.de

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Auch Regel-Päpste treten irgendwann kürzer 
 

Es ist zwar noch etwas hin – genauer gesagt: erst im November verabschiedet sich Dietrich von Garn offiziell in den (Un-)Ruhestand. Im Wissen, dass er auch danach den DGV noch unterstützt, trotzdem jetzt schon nachfolgende Zeilen.
 

Dietrich von Garn lernte ich als einen der ersten Kollegen beim Deutschen Golf Verband (DGV) kennen – bei der gemeinsamen Erstellung der offiziellen Golf-Regelpublikationen. Dass diese keine leichte Lektüre sind, ist wohl unbestritten. Regeln kennen keine „Grauzonen“, sondern nur „Korrekt“ oder „Falsch“. Genau so nahm ich damals auch Dietrich von Garn im Umgang wahr – der Job färbt, wie in vielen anderen Berufen, wohl auch hier ab. Gleichwohl hat von Garn immer einen sehr feinsinnigen Humor, der sich besonders im persönlichen Miteinander zeigte.
 

23 Jahre stand er als Regel- und Handicap-Verantwortlicher beim DGV sowie als Referee bei großen Turnieren an vorderster Front und suchte mit seinen Kollegen in Wiesbaden den Kontakt zu den Clubs. Die Geduld mit mehr oder weniger einsichtigen Golf-Enthusiasten wurde sicher oft auf die Probe gestellt, nach außen galt es dennoch immer, Professionalität und Souveränität zu demonstrieren. All das Vorgenannte verkörperte Dietrich von Garn in hohem Maße und er wurde zu Recht zum unangefochtenen, deutschen „Regel-Papst“.
 

Dass es auch einen „privaten“ von Garn gibt, war manchmal kaum vorstellbar: genussvoller Weinliebhaber ist er bekanntermaßen, bei der Recherche zu seiner Person, fand sich dann aber doch mehr im Web: Eine von seiner Gattin Silja erstellte, sehr sympathische, Familien-Homepage, die tiefe Einblicke in das Privatleben zulässt (s. auch die zur Veröffentlichung im golfmanager freigegebenen Fotos der Website). Von Freude an gemeinsamen Unternehmungen und Reisen mit den Hunden ist da die Rede, von sportlichen Aktivitäten im Bogen- und Sport-schießen u.v.m.
 

Warum dies hier erwähnt wird? Weil es zumindest für mich klar zeigt: Um Dietrich von Garn muss man sich auch als „emeritierter Regel-Papst“ keine Sorgen machen, Aktivitäten, die bislang meist zu kurz kamen, gibt es genug. 
 

Und, auch das ist auf besagter Website zu lesen: „Im November geht Dietrich in Rente, er wird aber als Rating-Agentur weiter mit Course-Ratings, Platzbewertungen oder Beratungen dem Golf verbunden bleiben.“ Die konkrete Chance auf ein Wiedersehen ist also gegeben, insofern: „Lieber Herr von Garn, danke für viele Jahre enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit in den verschiedensten Projekten! Für den nächsten Lebensabschnitt viel Freude, vor allem Gesundheit, und bleiben Sie mit Ihrer Gattin weiterhin ,am Ball‘. Auf Ihrer Website werden wir verfolgen, wohin die von Garn'sche Reise auch abseits der Fairways der (Golf-)welt geht!“
 

Für das Bonner Medienhaus mit Geschäftsleitung, Verlags-Team und Redaktion,

Stefan Vogel

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